Angst bei Hunden 1.1

Wie äußert sich Angst bei Hunden? Was ist eigentlich Angst? Wie können wir mit Ängsten bei Hunden umgehen lernen?

Und können Ängste von Hunden auch etwas mit Ängsten ihrer Menschen zu tun?

Fragen, über die ich nachdenke und auf die ich nach Antworten suche. Fragen, zu denen ich hier – in Teil 1 – einmal angefangen habe, meine Gedanken zu sammeln und zu bündeln. Und sie hier für alle am Thema Interessierten gerne aufschreiben möchte.

Doch zuvor will ich anmerken, dass ich der Angst bei Hunden - und ihren Haltern - immer mit Verständnis, Ernsthaftigkeit und Rücksichtnahme begegne. Diese innere Haltung vermittle ich auch meinen eigenen beiden Hündinnen Emma und Mina.

 

Zur ersten Frage – Wie äußert sich Angst bei Hunden?

 

Ein Hund, der Angst hat, „rast“ vielleicht blindlings nach Hause (Stichwort: Flucht). Dann ist es gut, wenn er angeleint ist. Oder er sucht nach Sicherheit bei seinen Menschen. Er versteckt sich dann meist ruckzuck hinter seinem Menschen und bleibt sozusagen lieber in der Deckung.

Hunde im Akutzustand der Angst zeigen oft eine bis unter den Bauch eng eingeklemmte Rute. Sie nehmen auch häufig eine unterwürfige Körperhaltung ein. Sie wedeln nicht freundlich und entspannt, sie sind angespannt und manchmal bewegungsunfähig (Stichwort Starre).

Manche Hunde äußern Angstlaute (Wimmern, Winseln, schrilles Bellen, Schreien,…). Auch vermehrtes Schmatzen und extrem häufiges über die Lefzen lecken können auf den Stresszustand eines Hundes hinweisen.

 

Angst bei Hunden bedeutet immer mentalen und körperlichen Stress.

 

Es ist sicher ähnlich wie bei uns Menschen eine Typ-Sache. So gibt es bei Hunden ängstlichere Typen, und die Mutigeren. Die Introvertierteren und die Extrovertierteren. Die vom Grundtyp her vorsichtigen und eher ängstlichen Hunde sind vielleicht auch manches Mal von kleinerer und zarter Statur?! Das muss aber nicht sein.

Einem in eine Gefahrenlage geratenen Lebewesen stehen grundsätzlich folgende drei Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung:

  • Die Flucht (das wären die Hunde, die weglaufen und wie oben erwähnt vielleicht auf direktem Weg Richtung Zuhause „rasen“)
  • Die Erstarrung (Tot stellen, wie gelähmt sein)
  • Der Kampf

Bestimmt hat Jeder schon einmal den Begriff „Angstbeißer“ gehört. Darunter stelle ich mir einen Hund vor, der – eventuell in einem Zustand der Angst – sofort instinktiv nach vorne geht oder angreift (Stichwort Kampf). Ich habe selbst kein einziges Erlebnis oder Erfahrung mit „Angstbeißern“. Darüber bin ich froh.

 

Zur zweiten Frage – Was ist Angst?

Wenn man diese Frage genau so im Internet eingibt, kommen unzählige Antworten bzw. Definitionen. Eine Definition lautet, dass Angst ein Gefühl der Nervosität, Besorgnis oder Unsicherheit ist.

 

Wie betrachte ich persönlich das?

Angst definiert sich für mich grundsätzlich als ein emotionaler Zustand, in erster Linie ein Gefühl von Unsicherheit mit unterschiedlicher Ausprägung in einer „Leib und Leben bedrohlichen Lage“ bzw. Gefahrensituation.

Hierbei würde ich unterscheiden in

  • einerseits dem Zustand der Angst, der sich (hinein-) steigert und in einen Zustand der Panik verwandeln kann. Der meist zu einer Traumatisierung führt. Und den ich selbst als eine Art absoluten Ausnahmezustand bezeichnen würde.
  • und andererseits der „gesunden Portion“ Angst. Dem Gefühl der Angst, das alle Lebewesen wachsam und vorsichtig sein lässt. Die Angst lässt sozusagen aufhorchen und aufmerken. Dieses Aufhorchen, eine Vorsicht und Achtsamkeit sowie gut für die eigene Sicherheit sorgen zu können, ist eine natürliche Überlebensstrategie. Und etwas Positives.

Bei allen meinen Überlegungen sind mir folgende möglichen Ängste von Lebewesen in den Sinn gekommen:

Angst vor dem Verlassen sein, vor Schmerzen, Gewalt, Bedrohung, Bestrafung. Angst vor Mangel an Liebe und Zuwendung, Angst vor Hunger, Erkrankung und Verlust. Und schließlich die Todesangst, in lebensbedrohlichen Situationen.

 

Einige weitere Gedanken

 

Nach dem Dualitätsprinzip im Leben suchte ich eine Emotion (= Gefühl, Gemütsregung), die dem Gefühl der Angst gegenüber stehen könnte. Dualität bedeutet stark vereinfacht ausgedrückt, dass es zu jedem Ding eine zweite Seite gibt. Passender zu dem Thema Angst wäre hier der Ausdruck Gefühl anstelle von Ding. Das heißt also, dass es zu jedem Gefühl eine zweite Seite, ein Gegenüber von Gefühl gibt.

Zum Verständnis hier einige Beispiele für Dualität: Freude-Leid/ Fröhlichkeit-Traurigkeit/ Lachen-Weinen/ Gelassenheit-Verärgerung/ Liebe-Hass/ Frieden-Krieg/ Zufriedenheit-Unzufriedenheit/Ruhe-Unruhe usw.

Bestimmt fallen dir selbst noch viele mögliche Beispiele ein.

Ich persönlich würde der Angst den Mut gegenüberstellen, oder noch besser die Freiheit. Denn die Angst kann gefangen halten (lähmen). Und frei von Angst zu sein bedeutet Freiheit, Handlungsfähigkeit, Vertrauen haben: Mut/Angstfreiheit/Angst.

 

Doch nun zu den Fragen – Umgang mit Angst bei Hunden und spüren die Hunde die Ängste ihrer Menschen?

 

Hin und wieder und leider immer häufiger treffe ich Hundebesitzer, die bereits aus weiter Entfernung rufen, dass ihr Hund Angst hat. Der damit verbundenen Bitte/Aufforderung/Erwartung, ich möge meine beiden Hündinnen anleinen, komme ich selbstverständlich nach.

Dass Hunde pauschal vor jedem anderen Hund, den sie (noch) nicht kennen bzw. nicht kennenlernen können, Angst haben, macht mich dennoch nachdenklich. Deshalb habe ich einmal versucht, mich in einen Hund hinein zu versetzen, der auf einem Spaziergang jeden Artgenossen, der ihm begegnet, als eine potentielle Gefahr empfindet. Das fühlte sich traurig und ungut an.

Ehrlich gesagt habe ich mich auch schon dabei ertappt, dass ich mir in Gedanken wünschte, die Menschen würden lieber rufen:

„Ich habe Angst“ statt „Mein Hund hat Angst“.

Ich statt mein Hund zu sagen, macht – für mich und meine Hunde – einen entscheidenden Unterschied.

So sage ich Ich, wenn ich Angst um meine Hunde habe, wenn ich etwas oder mein Gegenüber überhaupt nicht einschätzen kann und wenn ich ein Risiko spüre oder etwas nicht direkt sehen kann. Beispielsweise eine stark befahrene Straße, oder einen Bach mit Hochwasser und starker Strömung in unmittelbarer Nähe, wo die Hunde beim Herumtollen und Rennen sich vergessen und hinlaufen könnten.

Dann rufe ich vielleicht nicht immer „Ich habe Angst“, aber so etwas wie „Eine Begrüßung geht hier nicht!“ oder mit Nachdruck „Können Sie ihren Hund bitte anleinen?!“. Diesen Satz rufe ich auch, wenn meine Hündinnen läufig sind.

Wichtig ist für mich jedoch immer, wie sich meine Hunde (explizit Emma als Zentralhündin) verhalten. Sie sind für mich wie ein Anzeiger, ob eine echte Gefahr droht und ein Anzeiger, auf den ich mich verlassen kann. Wenn sie mir etwas in der Art anzeigen, bedanke ich mich bei ihnen und gebe ihnen zu verstehen, dass ich ab jetzt übernehme.

Es gelingt mir meistens meinen Hunden Schutz und Sicherheit zu bieten. Ich bin bemüht, und das spüren meine Hunde. In einem Fall, in dem wir Drei die Opfer eines Überfalls wurden, war es allerdings schwierig. Davon erzähle ich ein anderes Mal an anderer Stelle.

 

Zurück zum Thema Angst bei Hunden und Zusammenhänge.

 

Wenn ich an meinen Hunden bemerke, dass sie Angst vor etwas haben, zum Beispiel einer Treppe, einem Fahrstuhl, einem lauten Geräusch an einer Baustelle, einem glitzernden Luftballon, der in den Zweigen eines Gebüsches festhängt, eine Tüte im Acker,…dann gehe ich mit dem Hund zusammen so weit hin, wie er es aushält. Manches Mal geht die Angst sofort, manchmal bleibt sie bestehen. Wir pendeln dann zwischen Herantrauen in meinem Schutz, gutem Zureden, sich zu trauen, und wenn nötig, dem Abbruch einer Situation und dem Entfernen.

Situationen, die jedoch im alltäglichen Leben unumgänglich sind, permanent zu vermeiden, geht nicht. Deshalb üben wir, mit wenig Druck und viel Zeit. Zusammen!

Wie bereits erwähnt habe ich im Eigenversuch, mich in einen Hund hinein zu versetzen, der auf einem Spaziergang jeden Artgenossen, der ihm begegnet, als eine potentielle Gefahr empfindet, den Stress, Frustration und innere Unsicherheit deutlich gefühlt.

Dennoch ist es so: Wir sind nicht allein auf dieser Welt, Begegnungen lassen sich nicht verhindern oder immer vermeiden. Und je nachdem wo man spazieren läuft, kann ein Ausflug zu einem erschöpfenden Spießrutenlauf werden.

 

Im Zusammenhang mit dem heutigen Thema spielen für mich

Vorausschauen, Vertrauen, Wahrnehmen, Zuhören können eine ganz wichtige Rolle!

 

Emma und Mina, meine beiden Labradorhündinnen können gut zuhören. Damit meine ich, dass sie zuhören, was ein anderer Hund, ein Kollege, an dem sie – obwohl sie sich gegenseitig haben – interessiert sind, mitteilt, und vor allem wie er das tut.

Emma ist freundlich, interessiert und freut sich darüber andere Hunde (und ihre Menschen) begrüßen zu dürfen. Sie überprüft dabei auch gerne mal so nebenbei eventuell vorhandene Leckerli – Vorräte in den Taschen der Hundebesitzer. Als Zentralhündin sind ihre wichtigsten Anliegen neben Kontakt und Kommunikation bei einem Aufeinandertreffen das Begrüßen, Sich vorstellen, falls man sich noch nicht kennt das Kennenlernen, Einschätzen, für Ruhe und Ansprechbarkeit sorgen.

So hält Emma entweder Abstand bei unsicheren und ängstlichen Hunden und geht von sich aus gelassen und ruhig weiter. Oder sie geht hin und beruhigt den Hund. Sie hört genau hin! Und ich schaue ihr genau zu.

Mina, unsere helle Labradorhündin, ist zwei Jahre jünger als Emma und ebenso freundlich und friedfertig wie Emma. Sie ist in Hundebegegnungen weitaus mehr direkt, neugierig, körperlich engagiert als Emma. Sie geht sofort nach vorne. Manchmal ist Mina etwas zu wild und ungestüm. Aber auch sie lernt immer mehr mit der Palette ihrer zur Verfügung stehenden Gaben als vordere Wächterin, auf ihr Gegenüber angemessen einzugehen. Mina ist dabei lieb und spielfreudig.

Mina ist selten ängstlich. Sie hat aufgrund ihres Archetypus das Bedürfnis immer nach vorne zu gehen. Es ist ein großes Vertrauen, dass sie dabei inzwischen innehält, sich umdreht und bei mir und Emma anfragt, ob die Aktion, die sie da plant von uns wahrgenommen ist.

Beide Hunde sind rundum gutmütig. Guten Mutes eben! Das bin ich auch!

 

Im Falle der auftretenden Angst bei Hunden möchte ich anmerken,

jeder Hund ist ein Individuum, und sein Besitzer kennt ihn am besten.

 

Selbstverständlich gibt es Hunde, die aufgrund schlechter Erfahrungen Ängste entwickelt haben! Oder Hunde, bei denen der Besitzer meint, er wurde mal von einem schwarzen Hund gebissen und hat nun vor allen schwarzen Hunden Angst.

Und es gibt schwer traumatisierte Hunde, die besonderen Schutz und Schonraum benötigen. Es gibt alte Hunde, die nicht mehr gut sehen und/oder hören können und physisch weniger stabil für eine Begegnung mit Artgenossen sind. Oder Welpen, die vor Überlastung geschützt werden müssen. Und da sind noch frisch operierte Hunde, die während ihrer Heilungsphase keine Belastungen ertragen und Ruhe benötigen.

Dass Hunde alle diese möglichen Befindlichkeiten,

wohl noch bevor der Mensch umfangreiche Kenntnis davon hat,

fühlen und erspüren, davon bin ich überzeugt!

 

Vergangene Woche erst fiel mir bei einer Begegnung von weitem auf, dass der Hundehalter, als er uns Drei wahrnahm, seinen Hund sofort anleinte, ihn hinter sich positionierte und mir zurief, dass sein Hund Angst hat. In manchen dieser Fälle sind es hin und wieder auch zwei Menschen, die dann folgendermaßen agieren, dass Einer den angeleinten Hund übernimmt und der Andere geht nach vorne und regelt die Abwehr. In beiden Fällen verändert sich die Körperhaltung der Menschen sofort. Die Signale Unsicherheit, Angst, Abwehr werden sofort gesendet und versetzen alle in der Umgebung Beteiligten (auch meine Hunde!) in eine Art Alarmbereitschaft. Ich persönlich fühle mittlerweile, dass bei 10 Begegnungen in 9 Fällen nicht der Hund, sondern derjenige, der die Angst hat, der Mensch ist.

Es ist jedoch vollkommen in Ordnung, wenn ich immer wieder erleben darf, wie der andere Hund dann ruhig, glücklich und zufrieden, gerahmt von seinen Beschützern, an uns vorbei läuft. Auch meine Hunde lernen dadurch Respekt und sie lernen, dass nicht mit jedem Hund, der uns begegnet, eine grandiose Expedition Abenteuer startet.

Auch wir Menschen sind ja nicht immer interessiert an einem Gespräch mit jedem Artgenossen, und ich bin sehr gerne alleine mit meinen Hunden unterwegs. Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass, wenn der Mensch Angst hat, sein Hund das spürt und früher oder später in irgendeiner Weise darauf reagieren wird.

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